Fachartikel

No-code Bewegung im Legal Tech Bereich

Die Digitalisierung hat uns in allen Lebensbereichen fest im Griff. Um dauerhaft am Markt konkurrenzfähig zu bleiben, werden digitale Services auch für Kanzleien und Rechtsabteilungen unerlässlich. Doch braucht es dafür zwingend Programmierkenntnisse?

Was in einigen anderen Wirtschaftsbranchen schon weit verbreitet ist, etabliert sich langsam auch im juristischen Arbeitsfeld. Die Rede ist von No-Code Software. Software, die es jedem IT-fremden Ideeninhaber ermöglicht eigene Anwendungen zu gestalten – ganz ohne Programmierkenntnisse.

No-Code vs. Low-Code

Wo von No-Code die Rede ist, da ist auch der Begriff Low-Code nicht weit. Die beiden Begriffe sind aus dem Betrachtungswinkel des Anwenders jedoch zu unterscheiden.

Unter No-Code Software versteht man Programme, die es dem Anwender ermöglichen Applikationen zu bauen, ohne dafür Code schreiben zu müssen. No-Code richtet sich mithin vorwiegend an Nutzer ohne Programmierkenntnisse.

Low-Code Software kombiniert No-Code Komponenten mit der Möglichkeit manuell Code hinzuzufügen und erfordert somit geringe Programmierkenntnisse. Im Vergleich zum reinen Coding ist das Programmiererfordernis jedoch stark reduziert, weshalb demgegenüber eine schnellere Entwicklungsumgebung geschaffen wird.

No-Code als auch Low-Code Programme gründen auf einem Baukastenprinzip. Der Softwareanbieter stellt vorgefertigte Module bereit, die der Nutzer durch Drag and Drop in die gewünschte Form bringen und mit Entscheidungsbäumen verbinden kann. Während der Anwender sein Programm visuell designed, generiert die Plattform im Hintergrund den gewünschten Programmcode.

Historie und Trend von No-Code

Die Ursprünge von No-Code Software greifen zurück bis in die 80er Jahre. 1982 etwa, befasste sich James Martin in seinem Buch „Application Development without Programmers“ mit der Beschleunigung von Anwendungsentwicklung. Zu der Zeit als Heimcomputer Einzug fanden bestand bereits die Sorge, dass es zu wenig Programmierer geben würde, um der zukünftigen Nachfrage an Software nachzukommen. Auch wenn man das 1985 gelaunchte Microsoft Programm Excel im weitesten Sinne bereits als No-Code Anwendung der ersten Stunde verstand, so zeichnete sich die Bewegung der Implementierung von No-Code Software, wie sie unserem heutigen Verständnis entspricht, erst in den frühen 2000ern ab.

Viele Anbieter entwickelten No-Code Lösungen etwa zur Webseitenerstellung, zur Erstellung von Shoppingportalen oder zur Automatisierung von Organisationsaufgaben. Getrieben von dem Anspruch dem digitalen Zeitalter gerecht zu werden und dauerhaft konkurrenzfähig zu bleiben, machten sich Unternehmen die kostengünstige Möglichkeit zu Nutze ihr internes Knowhow nicht etwa durch die Anstellung von Softwareentwicklern, sondern durch die Integration von No-Code Anwendungen zu digitalisieren. Auch Legal Tech Unternehmen sahen die Vorteile und Chancen von No-Code. Konnten Juristen nun schließlich selbst Programme zur Dokumentenautomatisierung, zum Mandantentracking oder zur Beratung nach ihren eigenen Bedürfnissen kreieren und ihre Arbeitsprozesse optimieren, ohne dafür auf einen Entwickler angewiesen zu sein.

Seit der Pandemie hat sich die Nachfrage an No-Code Software nochmals verstärkt. Zum einen war in Zeiten, in denen sich das Arbeitsleben stark veränderte eine effizientere Zusammenarbeit gefragt. Zum anderen haben viele Menschen die Gelegenheit des Lockdowns genutzt um ihre eigenen Ideen einfach mittels No-Code umzusetzen.

Inhaltlich entwickeln sich No-Code und Low-Code Produkte weiterhin in Richtung all derer Anwendungsfelder, die IT-fremden Anwendungsentwicklern nur schwer zugänglich sind. So beispielsweise bei der Nutzung von künstlicher Intelligenz oder bei der Programmierung von Robotern.

Vor- und Nachteile von No-Code

Schon per Definition birgt No-Code Software den wesenstypischen Vorteil, dass vorhandenes Fachwissen ohne Programmierkenntnisse in eigene Anwendungen transferiert werden kann. Diejenigen, die Knowhow im rechtlichen Bereich besitzen, sind in den meisten Fällen personenverschieden zu denjenigen, die wissen wie man Code schreibt. Bedarf es der Zusammenarbeit der beiden Welten, so sind Kommunikationsbarrieren zu überwinden, die zugleich die Gefahr von Wissensverlust mit sich bringen. Der Abstimmungsaufwand ist enorm. Wird es dem Endanwender mittels No-Code jedoch ermöglicht seine Ideen selbst umzusetzen, so erwachsen durch die Tatsache, dass sich ein Kommunikationskanal erspart wird erhebliche Vorteile. Die Entwicklungszeit im Vergleich zum Coding ist wesentlich kürzer. Eine Anwendung kann bereits nach wenigen Tagen operativ genutzt werden. Auch das nachträgliche Ändern, Erweitern oder Warten von Programmen nimmt wesentlich weniger Zeit in Anspruch. Damit verbunden ist zugleich eine Kostenersparnis. Weniger Personen, als auch weniger Zeit werden bei der Anwendungsentwicklung benötigt.

Im Legal Tech Bereich können mit No-Code generierte Anwendungen zur Steigerung der Mandantenattraktivität beitragen. Dies, zum Beispiel, durch einen zur Verfügung gestellten erweiterten digitalen Service mittels Chatbots, rechtlicher Ersteinschätzungen oder Dokumentenautomation.

Obwohl die Möglichkeiten von No-Code Software so weitreichend sind, steht sie in der Kritik nicht flexibel genug zu sein. Spezielle Bedürfnisse, die nicht von vornherein im Programm angelegt sind, lassen sich oft nicht abbilden. Die zur Verfügung gestellten Programmbausteine stellen lediglich eine best-practice dar und handeln häufig wiederkehrende Standardfälle ab. Ausnahmetatbestände und komplexere Strukturen sind nur schwer abzubilden. Der Nutzer kann bei No-Code nur das bauen, was das System vorgesehen hat und ist stets abhängig vom Softwareanbieter. Ein Baukasten von unbegrenzten Möglichkeiten steht hingegen nur denjenigen zur Verfügung, die selbst programmieren können oder Programmierleistung zukaufen. Sie haben schon allein durch die Anwendung von Low-Code Tools Zugriff auf einen erweiterten Setzkasten und damit mehr Möglichkeiten.

Resümee

Der Erfolg des Einsatzes von No-Code Software ist stark abhängig von dessen Nutzern. No-Code Produkte stellen eine exzellente Alternative für ideenreiche Menschen dar, denen es allein am technischen Knowhow mangelt, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Die Tatsache, dass No-Code Software hinsichtlich der Flexibilität an ihre Grenzen stößt, mag zwar einen Entwickler stören, für Juristen ohne diesen Background ist es jedoch wohl die beste Möglichkeit eigene Anwendungen zu entwickeln. Ein selbst und visuell gebautes Programm verhilft jedoch nicht zwangsweise auch zum gewünschten Erfolg. Um Mehrwert für sich und seine Mandanten zu generieren sind außerdem Kreativität, Ideenreichtum sowie Affinität zur Technik gefordert.

Autorin: Coletta Braun ist Rechtsanwältin bei DLA Piper im Bereich Real Estate. Aufgrund ihrer Begeisterung für rechtliche Themen der Digitalisierung ist sie derzeit für den Master of Laws Legal Tech (LL.M. Legal Tech) an der Universität Regensburg eingeschrieben.

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