Fachartikel

Legal Operations im Start-up & der D.I.Y.-Ansatz

Legal Operations ist ein Teil der Transformation einer jeden Rechtsabteilung. Dieser Beitrag ist eine Anleitung für Selbermacher mit begrenztem Budget.

Jeder Rechtsabteilung ist gemein, dass nur begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. Dem gegenüber stehen eine stetig wachsende Gesetzeslandschaft, komplexe internationale Sachverhalte und eine Anfragenflut. Diese Herausforderungen sind – ohne stetiges Personal- und/oder Budgetwachstum – kaum zu bewerkstelligen. Nur mittels Effektivität und Effizienz (sogenannte „operative Exzellenz“) gelingt es den Rechtsabteilungen, dieses Dilemma zu überwinden und somit den Rechtsabteilungsservice zu professionalisieren. Legal Operations, kurz als „Legal Ops“ bezeichnet, spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Denn nur wer repetitive Aufgaben standardisiert, interne Abläufe optimiert und Legal Tech einsetzt, kann langfristig eine qualitative Rechtsberatung – unter bestmöglicher Nutzung der vorhandenen Ressourcen – gewährleisten.

Das kleine Legal Ops Einmaleins

Gerade wenn die Rechtsabteilung nur aus wenigen Mitarbeitern besteht, ist der Wirkungsgrad von Legal Ops nicht zu vernachlässigen. Die meisten Juristen sind durch ihre Problemerfassungs- und Lösungskompetenz dazu prädestiniert, Legal Ops Projekte selbständig zu implementieren. Das erforderliche Hintergrundwissen wird allerdings selten während der universitären Ausbildung erworben und auch die wenigsten haben eine einschlägige Praxiserfahrung. Daher ist es umso wichtiger, sich mit der Thematik einmal grundlegend auseinanderzusetzen.

Die folgenden Punkte tragen zur Entwicklung eines Grundverständnisses sowie der Vermeidung von gängigen Fallstricken bei:

1. Universallösungen gibt es selten. Gerade wenn wenige Ressourcen zur Verfügung stehen, ist darauf zu achten, dass ein Legal Ops Projekt nicht alle bekannten und zukünftigen Problemstellungen umfassen kann. Eine schnellere Umsetzung ist möglich, wenn der Projektumfang und die Komplexität reduziert werden.

2. Quick Wins sind gerade in der Aufbauphase der Rechtsabteilung wichtig. Je eher die Rechtsabteilung kurzfristige Lösungen schafft, desto eher wird sie als verlässlicher Partner wahrgenommen und erhält Budget für größere Folgeprojekte.

3. Die Erhebung des Status quo ist vor dem Projektstart unabdingbar. Die Bestandsaufnahme eines bereits existierenden Prozesses zeigt auf, mit welchen Tätigkeiten ein erhöhter Zeitaufwand verbunden ist. Der Austausch mit dem Business trägt ebenfalls zum Big Picture bei.

4. Effizienzgewinne können durch eine Self-Service-Culture erreicht werden. Gut strukturierte und einfach lesbare Vertragstemplates samt dazugehöriger Playbooks gewährleisten eine einheitliche Abwicklung von rechtlichen Fragestellungen und empowern das Business zur selbständigen Bearbeitung. Design Thinking – sprich juristische Themen verständlich zu kommunizieren – wird künftig eine immer wichtigere Rolle spielen.

5. Legal Tech Tools mit innovativen Funktionalitäten sehen auf den ersten Blick verlockend aus. Eine Must-have-Liste, die bereits bei Projektstart erstellt wird, schafft Fokus. Generell sollten tiefgehende Überlegungen angestellt werden, wenn ein bereits etablierter Prozess durch den Zukauf einer externen Anwendung zu verändern ist. Denn ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor für die Einführung eines neuen Tools ist schlussendlich die User Experience.

6. Veränderungen etablierter Prozesse können zu Bedenken oder gar Widerständen bei den betroffenen Personen führen. Für einen effektiven Change Prozess ist eine transparente Kommunikation sowie Einbildung der von der Prozessänderung Betroffenen essenziell. Neben dem Change Management sind auch die Erwartungen aller Beteiligten und Stakeholder im Hinblick auf das Projektergebnis proaktiv zu steuern.

7. Die Berechnung der Einsparungspotenziale über den Return on Invest sowie Performancemessung über Key Performance Indicators wie Kundenzufriedenheit oder Reaktionszeiten sind zentrale Elemente für das Sichtbarmachen der gesetzten Maßnahmen.

Die erfolgreich erprobte Lösung bei kleinem Budget

Was aber tun, wenn nur wenig Digitalisierungsbudget zur Verfügung steht? Mittels eines Do-It-Yourself-Ansatzes (kurz „DIY“) muss nicht auf Legal Tech verzichtet werden. Es besteht nämlich die Möglichkeit, Tools, die in anderen Abteilungen bereits im Einsatz sind, für Prozesse der Rechtsabteilung zweckentfremdet zu benutzen. Denn gerade in einem stark wachsenden Start-up sind Strukturen sowie skalierbare Prozesse für das Wachstum und den Erfolg der Go-to-Market-Strategie entscheidend.

Abhängig vom Geschäftsmodell kann daher ein Contract Management bereits in einem sehr frühen Stadium insbesondere für das Reporting an die Finanzabteilung und die Investoren sowie für ein effektives Fristenmanagement erforderlich sein. Anstatt der Anschaffung eines kostenintensiven Contract-Life-Cycle-Tools kann ein Contract Management auch auf ein bereits im Unternehmen eingesetztes ERP-System, Sharepoint oder Confluence aufgesetzt werden, wenn gewisse Grundvoraussetzungen wie Zugriffsbeschränkungen, Metadatensuche oder Datenextraktion erfüllt sind. Praktische Erfahrungen zeigen, dass ein DIY-Contract Management binnen weniger Wochen implementiert werden kann. Hauptaugenmerk ist auf die Erstellung einer mit den relevanten Abteilungen abgestimmten Metadatenliste und personelle Unterstützung für die Daten- und Dokumentenerfassung zu legen. Die externen Kosten für die Adaptierung der bestehenden Systeme sind überschaubar. Kombiniert mit dem Einsatz eines elektronischen Unterschriftentools können darüber hinaus der Abschluss sowie die Ablage der Verträge massiv beschleunigt werden.

Für das Handling der Anfragen, die an die Rechtsabteilung gerichtet werden, kann ein sehr kostengünstiges DIY-Matter Management eingeführt werden. In vielen Unternehmen werden Projektmanagementtools (wie Jira oder Asana) eingesetzt, die sich ebenso bestens für die Rechtsabteilung eignen. Das Matter Management ermöglicht ein Live-Statusupdate zur Anfragenbearbeitung, Dokumentation der Rechtsberatung, nahtlose Übergabe bei Abwesenheit, Darstellung von Kapazitätsengpässen sowie das Tracking von KPIs.

Aller Anfang ist schwer

Die ersten Legal Ops Projekte sind für viele herausfordernd, doch das Projektergebnis spricht für sich, indem es der Rechtsabteilung verhilft, als verlässliche und innovative Service Unit im Unternehmen wahrgenommen zu werden.

Autorin: Stefanie Thuiner hat langjährige Erfahrung als Unternehmensjuristin und war zuletzt als Rechtsberaterin des Red Bull Headquarters tätig. Aktuell leitet sie die Rechtsabteilung eines Logistik-Scale-ups. In ihrer täglichen Arbeit erprobt sie fortlaufend innovative Methoden zur Transformation der Rechtsabteilung und stellt ihr Praxiswissen in einem demnächst erscheinenden Handbuch für die Rechtsabteilung vor.

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