Drei Thesen, warum Legal Operations unverzichtbar ist
Die digitale Transformation spielt auch in Wirtschaftskanzleien eine tragende Rolle, dafür haben zuletzt Themen wie Legal Tech, Legal Design oder Legal Project Management (LPM) gesorgt. Genau diese Bereiche sind mittlerweile zu wichtigen Wettbewerbsfaktoren für Kanzleien geworden. Diese Themen eint, dass es im Kern um Effizienz geht, die sich durch optimale Prozesse, Digitalisierung und Innovation steigern lässt. Und diese Handlungsräume sind die Kernaufgaben von Legal Operations, es geht kurz gesagt um die bestmögliche Ausgestaltung von juristischem Arbeiten. Seit dem letzten Jahr hat sich dieses Portfolio wieder erweitert: In vielen Wirtschaftskanzleien gibt es verschiedene Initiativen zu „Großen Sprachmodellen“ (LLM), also zum Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) sowohl in der Mandatsarbeit als auch für Anwendungsfälle innerhalb der Kanzlei.
In diesem Beitrag werden drei Thesen zur Bedeutung von Legal Operations in einer Top Tier-Wirtschaftskanzlei aufgestellt und kurz erklärt; diese können sicherlich analog auf Rechtsabteilungen oder Professional Services übertragen werden.
These 1: Jede Wirtschaftskanzlei sollte ein Expertenteam für Legal Operations haben.
Unter den Begriff „Legal Operations“ fassen wir alle Themen, die der Optimierung von Prozessen in der Mandatsarbeit dienen. Es ist dabei wichtig, die Kanzleiprozesse zu verstehen und innovative technische Lösungen zu finden, die die Effizienz der Abläufe und die Produktivität steigern. Das betrifft einerseits die Mandatsarbeit, andererseits aber auch die jeweiligen kanzleiinternen Prozesse und Aufgaben, die wiederum Voraussetzung für die erfolgreiche Bearbeitung von Mandaten sein können. Diese reichen von Business Intake und Practice Management (ERP-System) über Legal Tech und LPM bis hin zur Bereitstellung wichtiger Informationen und Daten, beispielsweise für das Business Development oder das Finance und Controlling.
Diese Bereiche sind seit langem für jedes Kanzleimanagement von großer Bedeutung. Dennoch ist ein Expertenteam für Legal Operations noch nicht in jeder Wirtschaftskanzlei verankert. Das Team sollte idealerweise interdisziplinär aufgebaut sein, da die Aufgaben sehr facettenreich sind. So ist beispielsweise das Legal Operations-Team bei Gleiss Lutz aus Absolventen der Bereiche Rechtswissenschaften, Wirtschaftsrecht, Betriebswirtschaftslehre, Geisteswissenschaften und Wirtschaftsinformatik, sowie aus Experten mit juristischen Ausbildungsabschlüssen (Rechtsanwaltsfachangestellte/Rechtsfachwirte) zusammengesetzt. Hilfreich, um die Arbeit von Legal Operations erfolgreich umzusetzen, sind die Fähigkeiten, Digitalisierungs- und Prozessoptimierungspotenziale zu erkennen, wo angebracht, nach Legal Design Thinking-Methoden vorzugehen und Innovationsmöglichkeiten im Blick zu haben.
These 2: Legal Tech und LPM passen zu Legal Operations wie der sprichwörtliche Deckel zum Topf.
Legal Tech und LPM sind Kernkompetenzen, die Kanzleien heutzutage vorweisen müssen. Die Nachfrage nach guten und intuitiven Legal Tech-Tools durch Mandanten ist weiterhin groß. Neben den bereits oben angeführten Tätigkeitsschwerpunkten liegt ein wichtiges Aufgabengebiet von Legal Operations in den Bereichen Legal Tech und LPM – hier geht es zumeist um Effizienzsteigerung, die durch Prozessoptimierung, Innovation und Digitalisierung erreicht werden kann. Deswegen macht es Sinn, diese Bereiche unter Legal Operations zusammengefasst zu führen. Das hat in der Praxis oft den Vorteil, dass Abgrenzungsfragen wie „Ist das schon Legal Tech?“ oder „Macht das die IT?“ hinfällig werden. Entscheidend ist, dass sich ein Team der Aufgabe ganzheitlich annimmt. Bei technischen Themen ist naturgemäß eine enge Zusammenarbeit mit der IT und anderen Stakeholdern hilfreich und sinnvoll.
These 3: Legal Operations kann die KI-Strategie der Kanzlei gewinnbringend prägen.
Seit November 2022 ist KI – allen voran die generative KI – in aller Munde. KI kann in der Mandatsarbeit oder für interne Anwendungsfälle vorteilhaft und produktivitätssteigernd eingesetzt werden. Beim Einsatz von KI ist mit Blick auf die unterschiedlichen Facetten und Anwendungsfälle eine gut durchdachte KI-Strategie unerlässlich. Hier kann Legal Operations nicht nur bei der Entwicklung der Kanzleistrategie helfen, sondern auch das Erreichen operativer Ziele überwachen und beispielsweise sicherstellen, dass die Technologie nahtlos in bestehende Prozesse integriert wird.
Legal Operations hat in der Regel ein tiefgehendes Verständnis für die Prozesse der Kanzlei. Besonders das Verständnis der Schnittstelle zwischen Technologie und Recht ist hilfreich bei der Identifizierung von Anwendungsfällen, in denen der Einsatz generativer KI vorteilhaft ist. Das Team kann daher mit am besten die Bewertung und Implementierung von KI in zentraler Verantwortung begleiten. Es verfügt zudem in vielen Fällen durch die Einführung von Legal Tech-Lösungen bereits über reichlich Erfahrung im Change Management, das in Anwaltskanzleien durchaus herausfordernd sein kann. Bei KI-Lösungen sind außerdem rechtliche und regulatorische Aspekte zu beachten. Die Legal Operations-Abteilung ist typischerweise in das kanzleiweite Risikomanagement involviert und bringt daher auch hier den entsprechenden Weitblick mit.
Legal Operations – das Zünglein an der Waage?
In ausgewählten Branchenmedien waren kürzlich Schlagzeilen wie „Legal Tech krempelt die Rechtsbranche um“ oder „Schafft Künstliche Intelligenz die Anwaltschaft ab?“ zu lesen. Solche Schlagzeilen werden bleiben, wie auch die Anwaltschaft selbst. Nichtsdestotrotz werden Legal Tech, KI-Plattformen, Practice Management, Innovation und Legal Design wichtiger sein denn je. Mit diesen Themen steigt allerdings auch die Komplexität in Kanzleien und Unternehmen. Vor einem Jahr war Prompting zum Beispiel noch kein anwaltlicher Skill, heute ist es fester Bestandteil im Ausbildungscurriculum unserer Anwälte. Und wer weiß schon, was morgen noch kommt? Eins ist für uns gewiss: Legal Operations kann eine erfolgreiche Antwort auf diese Herausforderungen sein.
Autor: Marc Geiger ist Dipl.-Wirtschaftsjurist und Director Legal Operations & Business Technologies bei Gleiss Lutz. Er zählt im deutschsprachigen Raum zu den Top-Experten für Legal Operations und Legal Tech und ist ein gefragter Keynote Speaker und Diskussionsteilnehmer.
Autor: Daniel Lieber ist Dipl.-Wirtschaftsjurist und als Head of Legal Operations bei Gleiss Lutz tätig. Er leitet die Bereiche Legal Tech, Legal Project Management, Governance & Risk Management sowie Practice Management.