Künstliche Intelligenz erfolgreich einsetzen: Wie Kanzleien und Rechtsabteilungen von einer KI-Strategie profitieren
Seit zwei Jahren ist das Thema Künstliche Intelligenz nicht mehr aus dem juristischen Alltag wegzudenken. Viele Kanzleien und Rechtsabteilungen wissen aber noch nicht, wie und wofür sie KI einsetzen möchten. Was den meisten juristischen Institutionen fehlt, ist eine KI-Strategie, die alle Aktivitäten auf die eigenen Bedarfe abstimmt und in einer Roadmap gliedert.
Was ist eine KI Strategie?
Eine KI-Strategie ist ein umfangreicher Plan, um Künstliche Intelligenz systematisch, zielgerichtet und bedarfsgerecht in einer Organisation einzusetzen. Sie dient als Leitfaden für die Implementierung von KI-Technologien und orientiert sich dabei an den allgemeinen Zielen der Organisation.
Ist keine KI-Strategie vorhanden führt dies häufig zu einem planlosen Austesten einzelner KI-Tools, ohne jegliche Ziele und ohne die eigentlichen Bedürfnisse der juristischen und nicht-juristischen Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Folgen davon können die Auswahl ungeeigneter Software und eine mangelnde Akzeptanz durch die Nutzenden sein. Dies kann zum Scheitern von KI-Projekten führen. Eine KI-Strategie sorgt somit für die erfolgreiche Implementierung und Nutzung von KI in der juristischen Institution.
Vorteile einer KI-Strategie
Eine KI-Strategie hat folgende Vorteile für Kanzleien und Rechtsabteilungen:
1. Systematischer Aufbau der KI-Aktivitäten
Auswahl und Implementierung von KI-Tools erfolgen nicht willkürlich, sondern bedarfsgerecht und unter Einbeziehung der benötigten Ressourcen. Die neuen Technologien werden nicht wahllos ausgetestet, sondern Stück für Stück, nach Priorität und Dringlichkeit implementiert.
2. Nutzerzentrierung
Durch Ausrichtung der KI-Aktivitäten an den Bedarfen der Nutzenden wird sichergestellt, dass die eingesetzten Technologien der juristischen Institution und ihrer Mitarbeitenden einen tatsächlichen Mehrwert bieten.
3. Bessere Planbarkeit und effizienter Ressourceneinsatz
Eine KI-Roadmap, auf der alle KI-Aktivitäten festgehalten werden, bietet die Möglichkeit, Maßnahmen besser zu planen und vorhandene Ressourcen optimal einzusetzen. Gleichzeitig wissen alle Beteiligten, was auf sie zukommt. Dies erleichtert die Akzeptanz der neuen Technologien.
4. Nutzung von Chancen und Minimierung von Risiken
Die systematische Erfassung aller KI-Aktivitäten in einer KI-Strategie hilft dabei Chancen zu Nutzen und Risiken zu minimieren. So wird von Anfang sichergestellt, dass gesetzliche Regelungen eingehalten und die Informationssicherheit gewahrt wird.
5. Qualitätssteigerung
Werden Routineaufgaben durch KI erledigt, können Juristen sich auf die wirklich wichtigen Tätigkeiten konzentrieren. Dies steigert die Qualität der juristischen Arbeit.
Phasen zur Erstellung einer KI-Strategie
Die Erstellung einer KI-Strategie erfolgt in folgenden Phasen:
- Ermittlung der Ziele und KI-Vision
- Bedarfsermittlung und Stakeholder-Analyse
- Trendermittlung, Markt- und Wettbewerbsanalyse
- Bestandsanalyse
- Priorisierung und Auswahl der Maßnahmen
- Erstellung der KI-Roadmap
- Implementierung von KI-Maßnahmen
1. Ermittlung der Ziele und KI-Vision
Zu Beginn werden Ziele festgelegt und eine KI-Vision erstellt. Dabei wird ermittelt, warum KI eingesetzt werden soll, und was sich die Kanzlei oder Rechtsabteilung von KI verspricht. Es gilt zu klären, wo die juristische Institution hinmöchte.
Wichtig dabei ist die Ziele auf die Gesamtstrategie der Kanzlei oder Rechtsabteilung auszurichten, und zu ermitteln, wie KI zur Erlangung der allgemeinen Unternehmensziele beitragen kann. Sollte es in der Organisation bereits eine Digitalisierungsstrategie geben, ist die KI-Strategie in diese zu integrieren.
2. Stakeholder-Analyse und Bedarfsermittlung
Wurden Ziele und Vision erstellt, sind die tatsächlichen Bedarfe der beteiligten Personen zu ermitteln. Dafür wird eine Analyse der einzelnen Stakeholder-Gruppen, ihre Wünsche und Probleme durchgeführt. Userzentrierte und partizipative Methoden wie Legal Design Thinking und Co-Creation helfen dabei, die wirklichen Bedarfe der User zu ermitteln.
3. Trendermittlung, Markt- und Wettbewerbsanalyse
Zusätzlich zur Stakeholder-Analyse können Trendermittlung, Markt- und Wettbewerbsanalyse sinnvoll sein, um Anwendungsfälle und aktuelle Trends zu ermitteln und von Erfahrungen anderer Marktteilnehmenden zu profitieren.
4. Bestandsanalyse
Wurden Nutzerbedarfe, Anwendungsfälle und Trends ermittelt, müssen die vorhandenen Ressourcen identifiziert werden. Dabei werden die technologische Infrastruktur überprüft, die Datenbestände analysiert und ggfs. für das KI-Training aufbereitet oder angereichert, und die vorhandenen personellen Ressourcen mit ihren Qualifikationen ermittelt.
5. Auswahl der KI-Aktivitäten und Priorisierung der Maßnahmen
Auf Basis der zuvor gesammelten Informationen, werden nun die zu realisierenden KI-Aktivitäten ausgewählt und priorisiert. Schwerpunktthemen für den KI-Einsatz werden gesetzt und die Maßnahmen in kurzfristige, mittelfristige und langfristige Aktivitäten unterteilt. Auch erste Pilotprojekte werden festgelegt. Diese sollen möglichst schnelle Erfolge erzielen, um Beteiligte zu motivieren und Lust auf mehr zu machen.
6. Erstellung der KI-Roadmap
Im Anschluss erfolgt die Zusammenfassung aller Maßnahmen in einer Roadmap. Dabei wird für jede Aktivität ein klarer Zeitplan erstellt, in dem die Maßnahmen oder die Software eingeführt oder implementiert werden sollen. Meilensteine oder Teilziele werden festgelegt, um den Fortschritt zu überwachen. Neben der zeitlichen Planung findet auch eine Allokation der weiteren Ressource statt. Benötigte Technologien, Personal und das Budget werden ermittelt und festgelegt.
7. Implementierung von KI-Maßnahmen
Wurde die KI-Strategie erstellt und die Roadmap entwickelt, kann nun mit der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen und der Implementierung der ausgewählten KI-Tools begonnen werden. Je nach Maßnahme oder Technologie kann die Umsetzung agil oder nach klassischen Projektmanagement-Methoden erfolgen.
Changemanagement mitberücksichtigen
Damit die geplanten KI-Aktivitäten auch anschließend erfolgreich genutzt werden, ist ein begleitendes Changemanagement erforderlich. Dieses sollte direkt bei der Strategieentwicklung und Erstellung der KI-Roadmap mitberücksichtigt werden. Um neue KI-Tools und Maßnahmen besser annehmen zu können, müssen User in die Planung und Implementierung mit einbezogen werden. Durch Co-Creation in der Bedarfsermittlung oder bei der Implementierung einzelner Technologien werden Nutzende direkt beteiligt und können Neuerungen besser akzeptieren. Umfangreiche und regelmäßige Kommunikation zu den geplanten KI-Vorhaben sind essenziell, um Beteiligte mitzunehmen. Verschiedene Schulungs- und Supportmaßnahmen helfen dabei, mit KI-Tools souverän umzugehen. Informationsmaterialien, wie z.B. Intranetseite, Handbücher, Video-Tutorials, Success Stories und Best Practices ermöglichen es Anwendern, bei Fragen schnelle Hilfestellungen zu nutzen.
Fazit
Eine KI-Strategie hilft dabei, alle KI-Maßnahmen einer Kanzlei oder Rechtsabteilung zu bündeln und auf die tatsächlichen Bedarfe der juristischen Institution auszurichten. Die einzelnen Aktivitäten und Maßnahmen werden in einer KI-Roadmap festgelegt, sodass sie alle aufeinander abgestimmt sind und Ressourcen vorausschauend geplant werden können. Begleitendes Changemanagement sorgt für die notwendige Akzeptanz der neuen KI-Anwendungen durch alle Beteiligte. Eine KI-Strategie fördert somit eine erfolgreiche Einführung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz in Kanzleien oder Rechtsabteilungen.
Autorin: Anne Jacobs ist Gründerin und Geschäftsführerin der Deep Thoughts GmbH und berät ihre Kund:innen zu den Themen Informations- und Wissensmanagement, Innovation und Digitale Transformation. Zuvor war sie über 15 Jahre in Wirtschaftskanzleien tätig, wo sie u.a. für den Bereich Informations- und Wissensmanagement verantwortlich war.