Stellungnahme des Legal Tech Verbands Deutschland zur EU-Prozessfinanzierung

Legal Tech Verbands Deutschland

09.11.21 – Der Legal Tech Verband Deutschland hat eine neue Stellungnahme zum Bericht des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments (Juri-Ausschuss) verfasst. Der Juri-Ausschuss hatte im Juni 2021 einen sehr weitreichenden, harten Regulierungsvorschlag zum Thema Prozess-Finanzierung gemacht (behördliches Aufsichtsregime; Offenlegung der Finanzierung in allen zivilrechtlichen Auseinandersetzungen, auch gegenüber dem Prozessgegner; Kappung der Erträge der Prozessfinanzierer etc.). Der Vorschlag dürfte auch „no win no fee“ Modelle in Deutschland betreffen, die ihren Mandanten Kostenrisiken von gerichtlichen Auseinandersetzungen gegen eine Beteiligung am Erfolg abnehmen (Flightright, wenigermiete.de, Rightmart, Rightnow etc.).

Stellungnahme des Legal Tech Verbands Deutschland:

Der Bericht des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments (JURI-Ausschuss) zeichnet ein verzerrtes Bild von der Prozessfinanzierung in Europa. Die Anbieter hätten „nur ein wirtschaftliches und kein rechtliches Interesse“ am Gerichtsverfahren, würden die Erträge von Prozessen „einstreichen“ und die Antragsteller „mit fast leeren Händen“ zurücklassen (Seiten 3 und 29). Unter Hinweis auf einen Redebeitrag im australischen Parlament aus dem Jahr 2019 – und ohne eigene Konsultation von Stakeholdern in Europa – wird behauptet, die Prozessfinanzierung bedürfe einer dringenden und strengen Regulierung innerhalb der Europäischen Union.

Der Legal Tech Verband Deutschland lehnt diese Initiative ab.

Sie verstößt gegen die Grundsätze der Subsidiarität und der Souveränität der Mitgliedstaaten im Bereich der Rechtspflege. Ihre Umsetzung hätte weitreichende Einschnitte in die nationalen Rechtsordnungen zur Folge, im materiellen und im prozessualen Recht.

Der Ansatz des JURI-Ausschusses würde den Zugang zum Recht für eine Vielzahl von Verbrauchern und Unternehmen erschweren, weil Prozessfinanzierer häufig erst Waffengleichheit in gerichtlichen Auseinandersetzungen schaffen. Und zwar vor Allem dort, wo der Schädiger dem Geschädigten finanziell überlegen ist und wo gerichtliche Auseinandersetzungen besonders teuer und zeitaufwändig sind. Zwei Beispiele dafür sind das Kartellschadenersatzrecht und die zivilrechtliche Aufarbeitung der Dieselmotor-Manipulationen. Der Vorschlag blendet diese Vorteile der Prozessfinanzierung aus. Er bekämpft sie als unerwünschtes Phänomen, und formuliert dazu einschneidende Eingriffe in die eigentumsrechtliche geschützte Dispositionsfreiheit und in die Berufsausübungs- und unternehmerische Freiheit der Prozessfinanzierer. Ausserdem höhlen die Regelungen die europäische Verbandsklage-Richtlinie und die Kartellschadensersatz-Richtlinie aus.

Die Vorschläge unterlaufen auch das Bekenntnis der deutschen Bundesregierung zur Prozessfinanzierung als Gerechtigkeitsinstrument bei der Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen im Justizsystem. Denn auch deutsche Verbraucher-Angebote wie flightright, wenigermiete.de oder hartz4widerspruch.de fördern den Zugang zum Recht durch Einsatz von Prozessfinanzierung. Sie setzen mit „no win no fee“ Angeboten die Rechte von Geschädigten durch, die sich eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht leisten können oder deren Kosten fürchten.

Die Regelungen, die nun im Raum stehen, würden die Durchsetzung der Rechte Geschädigter aus nationalem und Gemeinschaftsrecht – entgegen den europarechtlichen Geboten der praktischen Wirksamkeit, des effektiven Rechtsschutzes und der Waffengleichheit – massiv einschränken.

Die vollständige Stellungnahme finden Sie hier.

Foto: © Legal Tech Verband Deutschland

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