Legal Tech Verband: Videoverhandlungen müssen Standard werden im Zivilprozess

Videoverhandlungen

20.01.23 – Der Legal Tech Verband Deutschland (im Folgenden “Verband”) setzt sich für die Gestaltung eines fortschrittlichen und innovationsfreundlichen regulatorischen Umfelds ein, das Rechtssicherheit für Legal Tech Unternehmungen innerhalb und außerhalb von Rechtsanwaltskanzleien schafft. Dabei orientiert sich der Verband an dem Ziel, Rechtsuchende, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen und den Rechtsstaat zu stärken. Wir bedanken uns für die Möglichkeit, zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz Stellung nehmen zu können.

Einleitung

Der Verband begrüßt die Initiative des Bundesministeriums der Justiz, die Nutzung von Videokonferenztechnik innerhalb der Justiz zu fördern. Zahlreiche Aspekte aus dem nun vorliegenden RefE hatte der Verband bereits in einer am 13. September 2021 veröffentlichten Stellungnahme behandelt, die im Rahmen einer Umfrage des (damals noch) BMJV aus Juni 2021 abgegeben worden war. Grundlage dieser Stellungnahme war eine vom Verband durchgeführte empirische Erhebung. Die Stellungnahme des Verbands inklusive der umfangreichen Untersuchungsergebnisse kann hier1heruntergeladen werden. Unter anderem hatte sich der Verband in seiner Stellungnahme aus September 2021 dafür eingesetzt, Videoverhandlungen im Zivilprozess als Standard zu etablieren. In diesem Zusammenhang hatte er auch mögliche Änderungen am Öffentlichkeitsgrundsatz angeregt, ohne die die Einführung von Online-Verhandlungen kaum möglich sein würde.

Forderungen

Neben den in der Stellungnahme von September 2021 festgehaltenen Ergebnissen fließen nun auch die zwischenzeitlich aufgrund der Corona-Pandemie gemachten Erfahrungen mit Videoverhandlungen in diese Stellungnahme ein. Auf dieser Grundlage stellt der Verband die folgenden Forderungen zu Videoverhandlungen auf:

➔ Videoverhandlungen müssen Standard werden, und damit eine selbstverständliche Art mündlicher Verhandlungen innerhalb von zivilrechtlichen Gerichtsverfahren. Es handelt sich nicht um ein Minus oder eine schlechtere Alternative zu mündlichen Präsenzverhandlungen. Dem entspricht die Grundregel des RefE, dem Vorsitzenden ein Anordnungsrecht zu verschaffen.

➔ Die Bundesländer müssen erhebliche Anstrengungen unternehmen, um die digitale Ausstattung der Justiz sowie die digitale Ertüchtigung von Gerichtsgebäuden zu fördern. Ob die Mittel dafür vom Bund oder von den Ländern kommen, ist aus Sicht derjenigen, die in der Justiz arbeiten oder die für ihren Zugang zum Recht auf eine moderne und digitalisierte Justiz angewiesen sind, nachrangig. Keinesfalls darf die digitale Transformation der Justiz Opfer föderaler oder politischer Zuständigkeitsstreitigkeiten werden.

➔ Nur eine hinreichende Ausstattung von Gerichten mit leistungsfähiger Videokonferenztechnik versetzt diese in die Lage, bei der Entscheidung über die Art einer mündlichen Verhandlung – Video oder Präsenz – eine sachbezogene Entscheidung zu treffen.

➔ Die Verfahrensregeln für die Anberaumung von Videoverhandlungen müssen so gestaltet sein, dass sie sich nicht als Hemmnis im richterlichen Alltag erweisen. Der RefE enthält einerseits gute Ansätze, Gerichte zu einer vernünftigen Verfahrensgestaltung zu befähigen, schafft aber andererseits umständliche Wahl- und Widerspruchsrechte, die sich im Ergebnis als unpraktikabel erweisen.

➔ Wenn jedenfalls anwaltlich vertretene Parteien gemeinsam Videoverhandlung beantragen, ist nicht ersichtlich, warum ein Gericht von einem solchen gemeinsamen Vorschlag abweichen dürfen sollte.

➔ Verfahrensregeln, die es einem Verfahrensbeteiligten ermöglichen, die zügige Terminsanberaumung durch Beschwerden wegen Anordnung einer Videoverhandlung zu blockieren oder zu erschweren, darf es nicht geben. Künstlich verlängerte Verfahren werden andernfalls die Regel werden und sich negativ auf die durchschnittliche Verfahrensdauer von Verfahren auswirken.

➔ Der Gesetzgeber sollte umgehend beginnen, die Vorschriften zur Öffentlichkeit in dafür geeignet erscheinenden Gerichtsverfahren zu überarbeiten, um heutigen und künftigen Anforderungen an Öffentlichkeit gerecht zu werden.

Erläuterungen

Der Verband beschränkt sich in seiner Stellungnahme auf einige wenige Aspekte des RefE, die unmittelbar mit Videoverhandlungen zu tun haben.

Der Verband erkennt in dem RefE viele gute und zukunftsweisende Ansätze. Allerdings wirkt der RefE zögerlich und nicht entschieden genug, in dem er zwar den Weg für besser und einfacher zu organisierende Videoverhandlungen ebnen will, andererseits aber am Prinzip der Präsenzverhandlung festhalten und es quasi den Verfahrensbeteiligten überlässt, wie sie an mündlichen Verhandlungen teilnehmen möchten. Dadurch wird das Verfahren eher komplexer als einfacher, der RefE erreicht dadurch nicht alle Ziele, die er erreichen möchte und könnte.

Die komplette Stellungnahme des Legal Tech Verband Deutschland kann hier eingesehen werden.

Foto: © pixabay

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