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Referendariat Ja oder nein? Das ist die große Frage

Zu Recht stellen sich viele Jurastudierende vor oder nach dem (bestandenen) ersten Staatsexamen die Frage, ob sie das Zweite auch machen sollen, ob es sich das alles lohnt. Nicht nur kann das Frustrationsniveau (weiterhin) sehr hoch sein, sondern auch erscheint das Examen und die Benotung unfair. Viele leiden außerdem unter physischen und psychischen Konsequenzen. Mit den nachfolgenden Fragestellungen soll daher ein erster Leitfaden an diejenigen an die Hand gegeben werden, die sich die Frage stellen wie es nun weitergehen soll.

Wichtig ist hierbei: weder ich, noch der Herausgeber wollen für eine Entscheidung, die jede:r selbst treffen muss verantwortlich gemacht werden. Es ist keine einfache Entscheidung und so richtig und falsch kann sie auch nicht sein. Doch mit gesunder Selbstreflexion sollte jede:r zu einem für sich selbst vertretbaren Ergebnis kommen. Diese muss man zum Glück nicht durch mehrere Instanzen, außer vielleicht bei der eigenen Familie, verteidigen. Einzig und alleine zählt nur der eigene Wille und die eigenen Wünsche.

1. Bist du dir zu 100% sicher, dass du kein/e (Staats)anwält:in oder Richter:in werden möchtest und beruht deine Entscheidung auf rationalen Gründen?

Die erste Frage ist ziemlich einfach. Denn wer jetzt schon weiß, dass man die Jobs, für die man die Befähigung zum Richteramt braucht, ganz sicher nicht machen will/wird, der/die braucht diese Befähigung auch nicht. Aber Achtung: das Referendariat ist deutlich praxisorientierter und eine andere Art und Weise als die bekannte Ausbildung an der Universität. Viele, die an der Universität keinen Spaß hatten, finden später oft Gefallen an der Arbeit am Gericht oder im Rahmen der Stationen. Dennoch kann es sein, dass man bereits im Rahmen von Praktika oder aus Erzählungen von Freunden oder der Familie tatsächlich die Arbeit am und vor Gericht gut beurteilen kann. Ob man eine Robenpflicht gut oder schlecht findet, sich über das Fehlen von Parkplätzen für Richter:innen ärgert oder die Farbe der Handakten nicht mag, gehören nicht zu den rationalen Gründen. Vielmehr hat das Beamtentum seine Vorteile und auch als Anwalt:in wird es einer/einem sicherlich nicht langweilig. Außerdem sehen die Chancen in der Zukunft mehr als gut aus, da die Pensionswelle der Babyboomer gerade erst anfängt, wird es in den nächsten Jahren immer mehr Bedarf geben.

2. Weißt du, was du stattdessen machen könntest bzw. hast du eine Idee, wie du Geld verdienen kannst? (Sofern du dir um Geld keine Gedanken machen musst, kannst du diese Frage gerne überspringen)

Es ist schön und spannend, dass man den „normalen“ Weg nicht einschlagen möchte aber was dann? Die meisten kommen nicht aus familiären oder finanziellen Verhältnissen, bei denen man sich eine Selbstfindungsphase für Jahre erlauben kann. Wenn es so ist, dann gerne die Frage überspringen und eine Weltreise machen. Allen anderen kann ich nur raten: finde heraus, was du stattdessen machen wolltest, sei es Regale einräumen, Produktion, Verkauf, andere Tätigkeit im Unternehmen, Arbeit an der Universität oder eines der neuen Legal Tech Jobs: Legal Designer, Legal Engineer oder Legal Project Manager etc. Wichtig ist, dass man weiß wie man sich über Wasser halten kann, bis man herausgefunden hat, was man tatsächlich möchte und was Spaß macht. Denn so blöd wie es klingt: während des Referendariats bekommt man Geld. Zwar nicht viel, doch es reicht in der Regel aus um über die Runden zu kommen. Man hat keine Lücke im Lebenslauf, bekommt Einblicke in bisher unbekannte Welten und kann auch seine Stationen aussuchen. Bevor man Arbeitslosengeld beantragen und ziellos in der Welt herumschwirren muss, würde ich lieber dazu raten sich für das Referendariat anzumelden. Denn am Ende sind die 18 Monate schnell vergangen und man kann nur dazu lernen.

3. Du würdest gerne erstmal eine Pause machen und die Frage später beantworten, hast aber Angst das bereits Gelernte zu vergessen?

Fakt ist: spätestens nach der letzten schriftlichen Prüfung werden die Meisten einiges vergessen. Doch das Recht ändert sich ohnehin permanent weiter. Ohne stetige Weiterbildung wird es in allen Bereichen zu Änderungen kommen, die man im Zweifel verpasst hat. Und selbst im Referendariat kommen auch neue Rechtsgebiete dazu, die man bis dahin gar nicht gekannt hat. Man lernt es spätestens dort mit der Unwissenheit zu arbeiten und kann dafür in der Regel die Standardkommentare heranziehen. Willst du daher erstmal eine Pause machen, z.B. in Form von Promotion, wissenschaftlicher Mitarbeit, Reisen oder was vollkommen anderes: nur zu!

4. Hast du genug von Jura, am liebsten würdest du alles anzünden und du warst zu keinem Zeitpunkt im Studium glücklich, hast dich aber durchgebissen?

Beachte Frage 2 und 3. Auch in dem Fall kann es hilfreich sein sich für das Referendariat zu entscheiden, denn es kann sich alles nochmal ändern. Und wenn man keinen Plan B hat, ist das Referendariat immer noch ein guter Plan A. Andererseits sollte man auch nicht zu stolz sein, etwas vollkommen anderes zu machen. Es ist keine Schande für eine Zeit im Einzelhandel, in der Gastronomie oder in einem anderen Job fernab der Juristerei Fuß zu fassen. Man kann auch an der Stelle vollkommen neu anfangen. Es gibt zahlreiche Jurist:innen die eine journalistische Weiterbildung gemacht haben oder in die Politik gegangen sind. Viele Unternehmen oder Ministerien stellen auch bereits Diplomjurist:innen ein. Es ist überhaupt nicht schlimm Praktika zu machen oder sich woanders umzuschauen, im Gegenteil!

5. Du bist bereit dir für den Rest deines Lebens die Frage zu stellen „wie wäre es gewesen wenn..“?

Ich habe für mich geschworen, diese Frage niemals stellen zu müssen. Blöd nur, dass es irgendwann nicht mehr anders geht. Wenn man sich für die rechte Seite der Strasse entscheidet, entscheidet man sich auch automatisch gegen die linke Seite. Und so ist es normal, dass man sich später irgendwann die Frage stellen wird, wie es gewesen wäre wenn. Hierbei gibt es jedoch zwei Aspekte zu beachten:
a, man kann selbst 10 Jahre später immer noch Referendariat machen, böse Zungen würden sogar behaupten, dass es die beste Absicherung gegen die Altersarbeitslosigkeit ist, sich das Referendariat ein Leben lang offen zu halten.

Und b, wenn man bei dem was man macht glücklich ist, dann kann man die Frage wie folgt beantworten: „Vielleicht wäre ich eine sehr gute (Staats)Anwält:in/Richter:in geworden. Aber mein Job macht mir auch unglaublich Spaß, ich bin gut darin und bin zufrieden.“

Und ist man später unzufrieden mit dem was man macht, kann man sich Immer noch für die Alternative a, b, c, d, e entscheiden. Wichtig ist es an der Stelle nur offen zu bleiben und nicht nach vorne zu schauen. Die Vergangenheit kann man bekanntlich ohnehin nicht ändern.

+1, Kannst du es dir vorstellen später auf einen Großteil deines Gehalts zu verzichten und wieder wenig(er) zu verdienen? Je nach Bundesland sind die Unterhaltsbeihilfen gering und die Zuverdienstmöglichkeiten je nach Staatsnote limitiert.

Es ist außerdem nicht absehbar, dass die Gehälter der Referendare ins Unermessliche steigen würden. Demnach muss jedem klar sein, dass wenn man sich nach 10 Jahren für das Referendariat entscheidet, seinen bis dahin aufgebauten Lebensstandard vermutlich nicht mehr weiter führen können wird.

Fazit

Die Entscheidung für oder gegen das Referendariat ist nicht endgültig und muss auch nicht sofort getroffen werden. Aspekte wie der psychische Zustand, die eigene finanzielle Lage und die persönlichen Interessen sind gegeneinander abzuwägen. Selbst wenn man sich heute dagegen entscheidet, kann man sich zu einem späteren Zeitpunkt immer noch die Frage stellen wie es wohl gewesen wäre wenn und die Antwort beim nächsten Einstellungstermin am OLG xy herausfinden.

Autorin: Daniella Domokos ist Diplomjuristin, Head of IT & LegalTech der HateAid gGmbH und bloggt unter www.allaboutlegaltech.de über die Themen Digitalisierung, Technik und Recht. Ihr Ziel ist eine effektivere Mandatsbearbeitung und folglich ein besserer Zugang zum Recht für Verbraucher:innen.

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