Legal Tech Nachrichten

Rechtsgutachten zum Fremdbesitzverbot für Kanzleien von Prof. Dr. Dr. h.c. Jörn Axel Kämmerer

Das Fremdbesitzverbot für Anwaltskanzleien in Deutschland steht weiterhin in der Kritik. Ein am 9. Januar 2025 vorgestelltes Gutachten von Prof. Dr. Dr. h.c. Jörn Axel Kämmerer von der Bucerius Law School im Auftrag des Legal Tech Verbands Deutschland kommt zu dem Schluss, dass die geltende Regelung europarechtswidrig ist und einer Reform bedarf. Das kürzlich ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Dezember 2024 ändert an diesem Reformbedarf nichts. Der EuGH hatte die bisherigen Beschränkungen für Kapitalbeteiligungen gewerblicher Investoren an Kanzleien bestätigt, bezog sich jedoch auf die vor 2022 gültige Rechtslage.

Kapitalbeteiligungen: Chancen und Risiken

Das Gutachten hebt hervor, dass internationale Beispiele, etwa aus Großbritannien und Australien, zeigen, dass Kapitalbeteiligungen an Kanzleien keine negativen Auswirkungen auf die Qualität der Rechtsberatung haben. Angesichts steigender Investitionsbedarfe, etwa durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, könnten deutsche Kanzleien im internationalen Wettbewerb benachteiligt sein, wenn ihnen der Zugang zu externem Kapital weiterhin verwehrt bleibt.

Gleichzeitig werden Risiken wie eine mögliche Gefährdung der Unabhängigkeit der Rechtsanwälte durch externe Investoren thematisiert. Diese seien jedoch beherrschbar, insbesondere durch klare regulatorische Vorgaben. Auch eine pauschale Ablehnung externer Beteiligungen wird kritisch gesehen: Problematisch seien primär Beteiligungen von über 50 Prozent.

Reformoptionen für das Fremdbesitzverbot

Das Gutachten schlägt vor, Kapitalbeteiligungen unter kontrollierten Bedingungen zuzulassen. Denkbar wären Modelle wie die britischen „Alternative Business Structures“ (ABS), die in einer Erprobungsphase getestet werden könnten. Diese Struktur habe sich in anderen Ländern bewährt, ohne die Unabhängigkeit der Anwaltschaft zu gefährden.

Die aktuelle Regelung wird als inkohärent und unionsrechtswidrig eingestuft, da sie einzelnen Berufsgruppen Kapitalbeteiligungen erlaubt, anderen jedoch nicht. Eine Überarbeitung sei dringend notwendig, um den Anforderungen an Kohärenz, Verhältnismäßigkeit und den Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit gerecht zu werden.

Fazit

Das Gutachten macht deutlich: Der Gesetzgeber steht vor der Herausforderung, eine moderne und europarechtskonforme Lösung für das Fremdbesitzverbot zu finden. Eine differenzierte Öffnung des Marktes könnte Innovationspotenziale freisetzen, ohne die Grundprinzipien der Rechtsanwaltschaft zu gefährden.

Das Gutachten steht hier in einer Kurzversion und in der vollständigen Länge zum Download zur Verfügung.

- WERBUNG -