Legal Tech Nachrichten

ChatGPT statt Kanzlei – Warum viele Ratsuchende der KI mehr trauen als Anwälten

Wer eine Rechtsfrage hat, wendet sich traditionell an eine Anwaltskanzlei. Doch eine neue Studie der Universität Southampton zeigt: Sobald der Ursprung des Rats verborgen bleibt, entscheiden sich mehr Menschen für ChatGPT als für menschliche Juristen!

In der Studie befragten Forschende aus Informatik, Psychologie und Rechtswissenschaften unter Leitung von Dr. Eike Schneiders 288 Testpersonen zu 18 fiktiven Fällen aus Verkehrs-, Bau- und Immobilienrecht.

Aufbau der Studie: 18 Fälle, zwei Quellen


Die Expertinnen und Experten formulierten für jede Rechtsfrage zwei Antworten – eine von ChatGPT, eine von qualifizierten Anwälten. Anschließend wurden die Teilnehmenden in zwei Gruppen geteilt:

1. Blindtest: 50 Personen erhielten die Antworten ohne Quellenangabe.

2. Offener Test: 50 weitere Personen wussten, wer den Rat verfasst hatte.

Im Blindtest vertrauten die Probandinnen und Probanden signifikant häufiger der KI. War die Quelle bekannt, schrumpfte der Unterschied – beide Ratschläge galten als gleich verlässlich.

Länge kontra Komplexität


Überraschend: Die Anwaltsantworten waren länger, zugleich aber sprachlich weniger komplex als die von ChatGPT. Dr. Schneiders hatte das Gegenteil erwartet – menschliche Juristen gelten gemeinhin als komplexer im Ausdruck. Länge und Verständlichkeit könnten laut den Forschenden erklären, warum die KI trotz unbekannter Herkunft mehr Zuspruch erhält.

Können Laien die Quelle erkennen?


Ein weiteres Experiment prüfte den Spürsinn der Teilnehmenden. Zufällig richtiges Raten läge bei einem Score von 0,5; perfektes Erkennen bei 1,0. Das Ergebnis: 0,59. Die Mehrheit irrte sich also regelmäßig, ahnte aber gelegentlich die Herkunft. „Es zeigt, dass Menschen Unterschiede wahrnehmen, sie aber schwer klar benennen können“, kommentiert Dr. Schneiders.

Konsequenzen: Ruf nach mehr KI-Kompetenz


Für Frau Dr. Schneiders führt das Ergebnis zu einer klaren Forderung: AI-Literacy müsse Teil der Allgemeinbildung werden. Die Technik verbreite sich schnell – wer Rechtsrat suche, müsse die Stärken und Grenzen von Sprachmodellen verstehen und die Quelle kritisch prüfen können.

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