EuGH Urteil: Fremdbesitzverbot verstößt nicht gegen europäisches Recht
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat durch Urteil vom 19. Dezember 2024 (C-295/23) klargestellt, dass Mitgliedstaaten die Beteiligung reiner Finanzinvestoren an Anwaltskanzleien untersagen dürfen. In seinem Urteil erklärte der EuGH, solche Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs seien gerechtfertigt, um die Unabhängigkeit der Anwaltschaft zu schützen. Diese Unabhängigkeit sei entscheidend, damit Anwältinnen und Anwälte ihre Tätigkeit unbeeinflusst und unter Einhaltung berufsrechtlicher Pflichten ausüben könnten.
Das Urteil folgte auf einen Fall, bei dem der bekannte Legal Tech Vorreiter und Rechtsanwalt Dr. Daniel Halmer im Jahr 2021 51 % seiner UG Kanzlei-Anteile an eine österreichische Beteiligungsgesellschaft abtrat. Obwohl Satzungsänderungen die Unabhängigkeit sichern sollten, entzog die Anwaltskammer München der Berufsausübungsgesellschaft die Zulassung. Der Fall wurde schließlich an den EuGH verwiesen.
In ihrem Urteil betonten die EuGH Richter, wirtschaftliche Interessen eines Investors könnten anwaltliche Entscheidungen beeinflussen, etwa durch Druck auf Kostensenkungen oder die Wahl bestimmter Mandate. Selbst eine indirekte Einflussnahme, wie die Drohung mit Kapitalentzug, sei unvereinbar mit den Grundsätzen der Rechtsanwaltschaft. Die Entscheidung ist damit eine deutliche Absage an die Öffnung des Rechtsdienstleistungsmarktes für Investoren.
Kritisch zu diesem Urteil äußerten sich Experten wie Dr. Christian Deckenbrock von der Universität Köln. Er bemängelte, der EuGH sei nicht auf die Inkohärenz des deutschen Berufsrechts eingegangen, die der Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona zuvor angeführt hatte. Stattdessen habe der Gerichtshof den Beurteilungsspielraum der nationalen Gesetzgeber betont.
Nach Einschätzung des EuGH-Prozessvertreters der Münchener Anwaltskammer, Prof. Dr. Christian Wolf, sei das Urteil ein „großer Sieg für die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft und den Rechtsstaat“. Dies sagte er gegenüber beck-aktuell.
Das Urteil betrifft die Rechtslage vor der Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) 2022, bei der die Zulassung interprofessioneller Sozietäten erleichtert wurde. Das Verbot für reine Finanzinvestoren blieb jedoch bestehen. Daher dürfte diese Änderung der BRAO auch keinen Einfluss auf das EuGH Urteil haben.
Die Debatte über das Fremdbesitzverbot dauert dennoch an. Befürworter verweisen auf den Kapitalbedarf von Kanzleien, etwa für Investitionen in Legal Tech Software und Legal KI. Kritiker sehen hingegen die anwaltliche Unabhängigkeit durch den möglichen Einfluss von Investoren gefährdet.