Von der Idee zur Innovation: Legal AI- Assistants entwickeln und implementieren

Die Möglichkeiten der Sprach- und Informationsverarbeitung haben in den letzten Jahren einen beispiellosen Aufschwung erlebt. Generative künstliche Intelligenz, die auf natürlicher Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, NLP) basiert, eröffnet völlig neue Chancen für die Automatisierung juristischer Tätigkeiten.
Die Besonderheit liegt in der Qualität der Sprachverarbeitung. Ältere Legal-Tech-Systeme, wie zur Vertragsanalyse oder Automatisierung, erforderten hohen Anlern- und Programmieraufwand. NLP-basierte Systeme können Texte ohne Training verarbeiten und sind nicht auf einzelne Anwendungsbereiche beschränkt. Legal AI-Assistants analysieren, fassen zusammen, extrahieren Daten oder verfassen Stellungnahmen, sofern alle notwendigen Informationen im Prompt bereitgestellt werden. Die Frage ist nicht mehr, ob Legal Tech verwendet werden sollte, sondern wie menschliches Können und technische Fähigkeiten kombiniert werden können, um das beste Gleichgewicht aus Qualität und Effizienz zu erzielen. Ein einfacher Einstieg besteht in der Nutzung frei verfügbarer Systeme wie ChatGPT oder Google Gemini. Spezielle Legal AI-Assistants bieten hingegen bessere Ergebnisse und höhere Datensicherheit. Sie unterscheiden sich durch vorgefertigte Eingabemasken (Skills) für juristische Tätigkeiten, wie Due Diligence oder das Schreiben von Schriftsätzen, die Fähigkeit, größere Datenmengen zu verarbeiten, sowie integriertes juristisches Wissen. Greenberg Traurig hat mit Chat@GT seinen eigenen Legal AI Assistant entwickelt, der seit der Einführung im Juli 2023 kontinuierlich verbessert wird.
Rolle der Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) bei der Entwicklung eines Legal AI-Assistants
Ein AI-Chatbot oder AI-Assistant stellt technisch nur das Tor zur Nutzung generativer Sprachmodelle dar. Die eigentliche Verarbeitung erfolgt im Sprachmodell. Gängige Modelle sind etwa die GPT-Modelle von OpenAI, die Claude-Modelle von Anthropic oder die LLama-Modelle von Meta. Jedes Modell hat seine Grenzen, die in der Menge und Qualität der antrainierten Daten, dem Umfang der verarbeitbaren Informationen und der Geschwindigkeit zur Generierung eines Outputs liegen. Zudem reagiert jedes Modell unterschiedlich auf Prompts, was zu variierenden Ergebnissen führen kann. Ein grundlegendes Verständnis der Charakteristika einzelner Modelle ist wichtig, um Systeme zu entwickeln, die qualitativ hochwertige Ergebnisse liefern. Umfangreiche Modelle wie GPT-4o, Claude Sonnet 3.5 oder Google Gemini können nur in Cloud-Umgebungen betrieben werden, was bedeutet, dass Daten an Drittparteien übermittelt werden. Wer dies vermeiden möchte, muss auf Open-Source-Modelle zurückgreifen, die in firmeneigener Infrastruktur betrieben werden. Diese Modelle haben jedoch meist weniger Trainingsdaten und können geringere Textmengen verarbeiten.
Integration des Systems in den Arbeitsalltag
Neben den komplexen technischen Anforderungen besteht eine der größten Herausforderungen darin, ein System zu entwickeln, das trotz seiner Komplexität von einer breiten Masse täglich genutzt wird. Es ist von überragender Bedeutung, dass Systeme selbsterklärend und einfach bedienbar sind. Auch wenn es stets eine Gruppe von Tech-affinen Usern gibt, die sich den Umgang mit Systemen selbst beibringen, benötigt die breite Masse kontinuierliches Training, um den richtigen Umgang mit Legal AI-Assistants zu lernen. Greenberg Traurig hat eigens für die Integration technischer Systeme das Schulungsprogramm GTInnoSphere entwickelt. Zur GTInnoSphere gehören unter anderem monatliche Schulungen, individuelles Nutzertraining sowie Workshops, bei denen einzelne Aufgaben gemeinsam trainiert werden. Davon profitieren nicht nur die Anwältinnen und Anwälte, sondern auch das Innovationsteam. Durch das gemeinsame Ausprobieren entstehen oft Ideen für Verbesserungen oder Weiterentwicklungen von Chat@GT.
Mini-Anwendungen als Schlüssel für eine hohe Nutzungsrate
Um den oft stressigen Arbeitsalltag zu erleichtern, muss ein System einfach zu bedienen und zuverlässig sein. Je komplexer die Anwendung ist, desto intensiver muss das Training sein, um einen sicheren Umgang zu gewährleisten. Da für intensive Schulungen komplexer Technologien häufig die Zeit fehlt, beginnt die Sicherstellung einer hohen Adaptionsrate bereits damit, dass Systeme einfach gestaltet werden. Vorzugswürdig sind Lösungen, die für unterschiedliche Anwendungsbereiche bereits vorkonfiguriert sind und intuitiv zum gewünschten Ergebnis führen. Gemeinsam mit Anwältinnen und Anwälten wurden in Chat@GT unterschiedliche Mini-Anwendungen (sog. Skills) erstellt, die Nutzenden einen Großteil des Promptings und der Systemeinstellungen abnehmen. Einige Skills sind bereits mit einer passenden Datenbank verknüpft, um eine hinreichende Datengrundlage für die Generierung des Outputs zu haben. Diese oft komplizierten Einstellungen bleiben bei der Anwendung unbemerkt. Nutzende müssen sich lediglich durch ein Menü navigieren, um zur richtigen Anwendung zu gelangen. Der Ansatz, sich pro Skill auf einen spezifischen Anwendungsfall zu konzentrieren und darauf zugeschnittene Schulungen anzubieten, hat sich als besonders hilfreich herausgestellt.
“You can’t just buy AI and expect magic to happen.”
Um einen Legal AI Assistant erfolgreich zu betreiben, bedarf es weit mehr als einer guten Idee und technischer Möglichkeiten. Das Potenzial, welches durch die Automatisierung juristischer Tätigkeiten gewonnen wird, ist jedoch enorm und kann einen Wettbewerbsvorteil gegenüber vollständig manueller Arbeit durch höhere Qualität in weniger Zeit darstellen. Mit zunehmender Konkurrenz von gewerblichen Anbietern und steigendem Kosten- und Effizienzdruck müssen Kanzleien ihr Geschäftskonzept künftig überdenken, um konkurrenzfähig zu bleiben und weiterhin bestmögliche Rechtsberatung anbieten zu können. Automatisierung juristischer Tätigkeiten wird in der Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Systeme wie Chat@GT werden sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln und einen unerlässlichen Teil moderner Rechtsberatung darstellen. US Legal Tech Firmen prognostizieren, dass jeder Anwalt innerhalb der nächsten drei Jahre einen Legal AI Assistant nutzen wird. Bei Greenberg Traurig spielt Chat@GT bereits heute eine tragende Rolle. Dank anstehender Systemerweiterungen wird erwartet, dass die Nutzung innerhalb der nächsten Monate noch einmal spürbar zunimmt und die prognostizierte Adaptionsrate der US Legal Tech Konzerne bereits im kommenden Jahr erreicht wird.
Autor: Dr. Nicolai Lagoni ist Partner der globalen Wirtschaftskanzlei Greenberg Traurig im Bereich Corporate / M&A. Er leitet den Bereich Strategy & Solutions und trifft wesentliche Entscheidungen zur Legal Tech Strategie von Greenberg Traurig. Dr. Lagoni berät Mandanten in den Bereichen Private Equity, Technologie und Immobilienwirtschaft.
Autor: Willy Kleinoth übernimmt als Senior Legal Innovation Manager die operative Leitung des Legal Innovations Bereich bei Greenberg Traurig Germany. Er verfügt über mehrjährige Erfahrung als Legal Engineer und Legal Tech Manager. Als Teil des internationalen Innovation Teams von Greenberg Traurig ist er unmittelbar in die technische Entwicklung und Implementierung von Lösungen wie Chat@GT involviert.