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Legal Tech Day 2025: Digitale Transformation braucht Haltung, Strategie und Menschlichkeit

Mehr als 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Justiz, Verwaltung, Wirtschaft und Legal Tech-Szene kamen am 8. und 9. Oktober in Berlin zusammen, um beim Legal Tech Day 2025 in Berlin zwei Tage voller Denkanstöße, lebendiger Diskussionen und inspirierender Begegnungen zu erleben. Und neben all den zukunftsrelevanten Themen, war die überraschende Unterbrechung von Komiker Timo Wopp mehr als nur erheiternd. Mit rhetorischen Anekdoten hat er allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen humorvollen Spiegel zur Akzeptanz von Risiken und Misserfolgen im Kontext der Digitalisierung hingehalten.

Das Event zeigte eindrucksvoll, dass die digitale Zukunft des Rechtsstaats bereits Realität wird, aber aktiv gestaltet werden muss. Digitalisierung ist mehr als Technologie, sie ist eine demokratische und damit gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es geht um Teilhabe, Vertrauen und die Fähigkeit, eingefahrene Strukturen neu zu denken. Ob in der Justiz, Verwaltung oder Wirtschaft. Überall zeigt sich: Ohne Menschen, Mut und klare Strategie bleibt Digitalisierung nur ein Schlagwort. Über allem schwebt der nötige Kulturwandel, um Veränderung zu ermöglichen.

Ein Auftakt mit Haltung: „Recht und Technik sind Partner, keine Gegensätze“

Bundesjustizministerin Dr. Stefanie Hubig hat die Legal Tech Night mit ihrer Vision von einem digitalen Rechtsstaat eingeläutet. Über dessen Möglich- und Unmöglichkeiten wurde im Laufe des Abends in heiterer Stimmung, bei guten Drinks und in entspannter Atmosphäre weiterdiskutiert. Der Legal Tech Day 2025 am nächsten Morgen, wurde eröffnet von Prof. Dr. Luise Hölscher, Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Mit ihrem zentralen Statement „Recht und Technik widersprechen sich nicht, sie ergänzen sich“ setzte sie den inhaltlichen Ton für den Tag. Digitalisierung, so Hölscher, bedeute weit mehr als die Einführung digitaler Werkzeuge. Sie sei ein Schlüssel, um Staat und Verwaltung effizienter, transparenter und bürgernäher zu gestalten. Dazu brauche es vor allem eines: den Mut, alte Routinen zu hinterfragen und Neues auszuprobieren. Das Digitalministerium verstehe sich dabei nicht als übergeordnete Instanz, sondern als Vermittler und Impulsgeber zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit Projekten wie dem „Marktplatz KI (MaKI)” oder der geplanten EUDI-Wallet für digitale Identitäten wolle man zeigen, dass Sicherheit und Interoperabilität keine Gegensätze seien. Hölschers Botschaft an die Legal-Tech-Community war eindeutig: „Verwaltung braucht Legal Tech und Legal Tech braucht Verwaltung. Nur gemeinsam können wir den digitalen Wandel gestalten.“

Legal Tech Night

Digitalisierung im Recht: Von staatlichen Strukturen bis zur Unternehmenspraxis

Ein zentraler Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf der Frage, wie ein digitaler Rechtsstaat gestaltet werden kann, der Bürgerinnen und Bürgern echten Zugang zum Recht ermöglicht. Im Panel „Digitaler Rechtsstaat – Ist der Zugang zum Recht eine Systemfrage?“ diskutierten Frank Schwabe (BMJV), Catarina dos Santos-Wintz (MdB), Fatima Hussain (LIQID) und Quint Haidar Aly (ACCICE) unter der Moderation von Corinna Budras (F.A.Z.) über Chancen und Herausforderungen digitaler Justizstrukturen. Staatssekretär Schwabe betonte, dass der Föderalismus nach wie vor eine der größten Hürden für die digitale Vereinheitlichung der Justiz darstelle. Unterschiedliche Standards, Schnittstellen und Ressourcen führten zu Ungleichgewichten zwischen den Ländern.

Catarina dos Santos-Wintz ergänzte: „Unsere Gesellschaft digitalisiert sich schneller, als es der Staat tut.“ Umso wichtiger sei es, Reformen aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger zu denken. Auch Hussain und Aly forderten mehr Transparenz und Barrierefreiheit. Der Konsens am Ende der Diskussion: Bildung ist der Schlüssel, um Digitalisierung im Rechtswesen nachhaltig zu verankern.

Künstliche Intelligenz: Zwischen Effizienz und Ethik

Einen emotionalen Höhepunkt setzte Kenza Ait Si Abbou, KI-Expertin und Bestsellerautorin, mit ihrer Keynote „Empathie im Zwiespalt – Der Mensch als Maschine, die Maschine als Mensch?“. Sie erinnerte daran, dass KI nicht nur Daten verarbeite, sondern auch menschliche Logik widerspiegle, inklusive ihrer ethischen Grauzonen.

Diese Spannung zwischen technischer Präzision und menschlicher Verantwortung griff das Panel „Be honest – Learnings aus der Digitalisierung unserer Rechtsabteilung“ auf. Vertreterinnen und Vertreter von HARIBO, Coca-Cola, Flix und HUGO BOSS berichteten, wie KI heute bereits in Vertragsanalysen, Wissensmanagement und Risikobewertung eingesetzt wird.

Das Fazit: Viele Unternehmen sind längst in der Umsetzungsphase angekommen. Doch ohne gemeinsame Standards und Vertrauen in KI-gestützte Entscheidungen bleibt die Skalierung begrenzt.

Legal Tech Day 2025

Werkstattgespräch: Sprachmodelle (LLMs) auf dem Prüfstand

Im Werkstattgespräch „Benchmarking Generativer Sprachmodelle“ zeigten Expertinnen und Experten praxisnah, wie KI-Modelle juristische Prozesse unterstützen können. Die anfängliche Diskussion konzentrierte sich auf die Notwendigkeit einer automatisierten und von Menschen überwachten LLM-Bewertung anhand von Rechtsfragen und verdeutlichte die Bedeutung von „Human in the Loop“-Korrekturen. Anschließend wendete sich das Gespräch den umfassenderen systemischen Fragen der Schaffung objektiver, unabhängiger Benchmarks für die Rechtsbranche zu, wobei proprietäre Testmethoden abgelehnt und ein einheitlicher gemeinschaftlicher Ansatz zur Qualitätssicherung befürwortet wird. Während des Gesprächs präsentierten Clemens Hufeld (Noxtua) und Daniella Domokos (ARAG)  konkrete Anwendungsfälle zur automatisierten Strukturierung und Zusammenfassung juristischer Texte. Maximilian Reinhard (Legalian) und Dr. Yannek Wloch (Libra) forderten die Entwicklung offener Standards und transparenter Benchmarks, um Qualität und Haftungsfragen klarer bewerten zu können.

Wandel gestalten im KI-Zeitalter

Lebhaft und kontrovers ging es in der in der Fishbowl-Diskussion „Verändern oder Verwalten? Change-Management im KI-Zeitalter“ zu. Schnell wurde deutlich, dass erfolgreiche Digitalisierung weit über technische Fragen hinausgeht, sie beginnt mit Haltung. Organisationen müssen kulturell bereit sein, Künstliche Intelligenz nicht nur als Effizienzwerkzeug, sondern als Chance zur Neugestaltung von Arbeit und Zusammenarbeit zu begreifen. Richtig eingesetzt, entlastet KI den Menschen, eröffnet Freiräume für Kreativität und fördert strategisches Denken. Entscheidend sind Vertrauen, Experimentierfreude und der Mut, Routinen zu hinterfragen. Nur wer Wandel zulässt, kann ihn auch gestalten.

Resilienz als Zukunftskompetenz

Den Schlusspunkt der Konferenz setzte die Closing Keynote „Resilienz neu codieren – Pogo-Fähigkeit für das 21. Jahrhundert“ mit Maraja Fistanic (Legal Tech Verband Deutschland) und Gitta Peyn (FORMWELT).
Bei Kaminfeueratmosphäre sprachen sie darüber, wie juristische und technische Systeme in Zeiten ständiger Umbrüche beweglich und widerstandsfähig bleiben können. „Digitalisierung ist kein Sprint, sondern ein permanentes Springen auf neue Wellen“, fasste Peyn zusammen. Im Gespräch ging es um die Frage, wie Organisationen und Demokratien ihre Innovationskraft bewahren können, ohne den inneren Kompass zu verlieren. Co-kreative Sinnsysteme wie Demokratien, so Peyn, zeichnen sich durch sechs grundlegende Merkmale aus, eines davon ist die „Pogofähigkeit“: Die Fähigkeit, Kritik nicht nur auszuhalten, sondern sie als Energiequelle für Entwicklung zu nutzen. Nur Systeme, die diese Haltung leben, bleiben langfristig kreativ, lernfähig und demokratisch stark.

Legal Tech Day 2025

Fazit: Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor

Der Legal Tech Day 2025 machte deutlich: Digitalisierung im Recht gelingt nur gemeinsam. Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Legal Tech-Szene stehen gleichermaßen in der Verantwortung, den Wandel strategisch, verantwortungsbewusst und menschlich zu gestalten. Oder, wie Staatssekretärin Hölscher es formulierte: „Wir brauchen kein perfektes System, sondern ein lernendes. Digitalisierung lebt von Mut, Pragmatismus und Begeisterung für Neues.“

Der Legal Tech Day 2025 war ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie dieses Zusammenspiel bereits gelingt und wie viel Potenzial noch vor uns liegt.

Autorin:Annika Schröder verfügt über langjährige Expertise in den Bereichen Innovation, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, insbesondere im politischen Umfeld. Seit Januar 2025 gestaltet sie als Head of Public Affairs beim Legal Tech Verband Deutschland die Schnittstelle zwischen Technologie, Recht und Politik aktiv mit.

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