FachartikelKünstliche Intelligenz

KI Chatbots werden immer häufiger als Ersatz für Anwälte eingesetzt

Wie kürzlich NBC News berichtete, wenden sich immer mehr Menschen an Künstliche Intelligenz um sich selbst vor Gericht zu verteidigen. Dies mit erstaunlichen Erfolgen, aber auch mit gefährlichen Fehltritten.

Als Lynn White aus Long Beach (USA, Kalifornien) ihre Miete nicht mehr zahlen konnte und eine Räumungsklage drohte, schien sie am Ende ihrer Möglichkeiten. Nach einem verlorenen Juryprozess und ohne Geld für weitere Anwaltskosten wandte sie sich mit ihrem Rechtsproblem an ChatGPT. White, die bereits Erfahrungen mit KI-Tools für ihre kleine Musikproduktionsfirma gesammelt hatte, ließ den Chatbot rechtliche Dokumente prüfen, Verfahrensfehler aufdecken, Argumentationsstrategien entwerfen und Schriftsätze formulieren. Unterstützt durch den KI-basierten Suchdienst Perplexity arbeitete sie monatelang an ihrem Fall und gewann. Die Richter hoben die Räumung auf, sie sparte rund 55.000 US-Dollar an Strafzahlungen und über 18.000 US-Dollar an Mietrückständen.

„Ich hätte diesen Fall ohne KI niemals gewonnen“, sagte White gegenüber NBC News. Sie begann mit der kostenlosen Version von ChatGPT, wechselte später zu ChatGPT Plus (20 US-Dollar im Monat) und nutzte zusätzlich Perplexity Pro (ebenfalls 20 US-Dollar monatlich).

Und dies ist kein Einzelfall. Im NBC News Bericht sprachen die Reporter mit mehr als 15 Personen, die wie White mithilfe von KI ihre Fälle selbst vor Gericht führten. Die Erfahrungen reichen von beeindruckenden Erfolgen bis zu kostspieligen Katastrophen. Auch Staci Dennett aus New Mexico setzte ChatGPT ein, um sich gegen eine Klage wegen unbezahlter Schulden zu wehren. Das Tool lieferte Vorlagen, prüfte ihre Argumente und half ihr, einen Vergleich zu erreichen. Sie sparte dadurch mehr als 2.000 US-Dollar.

Andere hatten allerdings weniger Glück: Der Unternehmer Jack Owoc, Gründer von Bang Energy, wurde zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt, nachdem er eine Klageschrift mit elf erfundenen Gerichtsfällen einreichte, alle von einer KI halluziniert. Ein ähnliches Schicksal traf den Geschäftsmann Earl Takefman, der sich in einem Streit um ein gescheitertes Pickleball-Projekt selbst vertrat. Als der gegnerische Anwalt auf ein erfundenes Urteil („Hernandez v. Gilbert“, 1995) hinwies, gestand Takefman peinlich berührt, dass er sich auf ChatGPT verlassen hatte. „Ich sagte zu ChatGPT, dass es mich reingeritten hat und es entschuldigte sich.“ Mittlerweile überprüft Takefman jeden Fall doppelt. Er lässt sich Urteile von verschiedenen KI-Systemen nennen und prüft sie anschließend manuell über Google.

Laut dem Juristen und Datenanalysten Damien Charlotin sind seit 2023 weltweit über 400 Gerichtsverfahren dokumentiert, in denen KI-generierte oder gefälschte Zitate eine Rolle spielten, Tendenz steigend. Während Gerichte mit der neuen Welle an KI-generierten Schriftsätzen kämpfen, sehen andere in der Technologie eine Chance. Die Anwältin Zoe Dolan von Public Counsel in Los Angeles organisiert Kurse, in denen sie Laien beibringt, KI verantwortungsvoll zu nutzen, vom Prompt-Schreiben bis zur Faktenprüfung.

Trotz aller Gefahren bleibt für viele Menschen wie Lynn White die Bilanz eindeutig: KI hat ihr nicht nur das Zuhause gerettet, sondern auch gezeigt, dass Wissen, das früher alleine Anwälten vorbehalten war, nun für jeden zugänglich ist.

In Deutschland soll die Schwelle für die Zuständigkeit der Amtsgerichte bei Zivilsachen von 5.000 Euro auf 10.000 Euro angehoben werden. Dies, und die fortschreitende Verbesserung der KI-Chatbots, wird wahrscheinlich dazu führen, dass sich auch hier zu Lande zukünftig immer mehr Menschen selbst mit Hilfe von KI ohne Anwalt verteidigen werden.

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