DIY Legal Tech konkret – eine Case Study: Automatisierung von Gremiensitzungen

In Zeiten von „AI First“ stehen Rechtsabteilungen unter dem Druck, effizienter, digitaler und vor allem kostengünstiger zu arbeiten. Gerade in schnell wachsenden Tech-Unternehmen mit kleinen Rechtsabteilungen und begrenzten Budgets ist die Automatisierung und Standardisierung von rechtlichen Workflows entscheidend. Dieser Beitrag zeigt am konkreten Beispiel der Automatisierung von Gremiensitzungen, welche Chancen der „Do it Yourself“ (DIY) Legal Tech-Ansatz bietet.
Gremiensitzungen: Ein administrativer Kraftakt für Rechtsabteilungen
Regelmäßige Aufsichts- oder Beiratssitzungen – sog. Board Meetings – gehören für Unternehmen zum rechtlichen Alltag, insbesondere für VC-finanzierte Startups oder Scaleups. Dabei sind solche Sitzungen häufig komplex und mit hohem administrativem Aufwand verbunden, die ein hohes Maß an Organisation und Sorgfalt erfordern. Dennoch erfolgen die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung in aller Regel noch händisch.
Bereits die Vorbereitung von Gremiensitzungen erfordert zeitaufwändige Unterlagenzusammenstellung, Terminkoordination und manuelle Aufbereitung von Dokumenten für den E-Mail-Versand. Während der Sitzungen fallen Protokollführung und Beschlussdokumentation an. Anschließend müssen Protokolle überarbeitet und freigegeben sowie Folgemaßnahmen koordiniert werden.
Berücksichtigt man, dass mindestens vierteljährlich Gremiensitzungen angesetzt werden, wird der Aufwand noch deutlicher – ebenso wie die Fehleranfälligkeit. Die Herausforderung liegt auf der Hand.
Automatisierung mit DIY Legal Tech
Angesichts dieser stellt sich die Frage, wie solche repetitiven Prozesse effizienter gestaltet werden können, ohne kostenintensive und langwierige Beschaffungsprozesse neuer Tools in Gang zu setzen.
Hier kommt der DIY Legal Tech-Ansatz ins Spiel. DIY Legal Tech bedeutet, bestehende Lösungen im Unternehmen zu nutzen, um rechtliche Prozesse zu digitalisieren und zu optimieren. Statt spezialisierte Tools anzuschaffen, können Unternehmen auf bereits vorhandene und erprobte Technologien zurückgreifen und so Kosten sparen. Viele Unternehmen setzen beispielsweise Microsoft 365 ein, das eine Vielzahl von Tools bietet, deren Potenzial nur selten ausgeschöpft wird. Durch gezielte individuelle Anpassungen kann ein hoher Automatisierungsgrad erreicht werden.
SVB-Sitzungen mit Microsoft 365 managen: Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung
Mit folgender DIY-Herangehensweise gestalten wir gemeinsam mit spezialisierten Entwicklern unseres Technologiepartners 6PAC Bricks GmbH („6PAC“) aktuell die Prozesse rund um Sitzungen des Aufsichtsrats (in diesem Fall Supervisory Board – „SVB“) in einer in Deutschland börsennotierten SE neu:
1. Versand von Jahresterminen
Power Automate ermöglicht den automatischen Versand von Terminblockern, der in einem SharePoint-Kalender eingetragenen Sitzungstermine für das gesamte Jahr an alle Teilnehmenden.
2. Anlegen der Sitzungsunterlagen in Dokumentenmappen
Für die Sitzungsvorbereitung werden dedizierte Dokumentenbibliotheken und -mappen in SharePoint angelegt. Hier können die zuständigen Personen Agenda, Präsentationen und weitere Unterlagen bereitstellen – zu jedem Termin und entsprechend der Berechtigungsgruppen. Ein besonderes Feature sind spezifische SharePoint Spaces in denen alle relevanten Informationen, Termine und Dokumente übersichtlich an einem Ort hinterlegt werden.
3. Versand der Informationen vor der Sitzung
Rechtzeitig vor jeder Sitzung erfolgt der automatisierte Versand der Einladung inklusive der Agenda. Außerdem werden die erforderlichen Sitzungsunterlagen zu einem definierten Zeitpunkt, z.B. eine Woche vor der Sitzung, automatisch an die Teilnehmenden verteilt.
4. Protokollformular für repetitive Sitzungsinformationen
Für das Erstellen von Sitzungsprotokollen können durch vorkonfigurierte Protokollformulare (z.B. als SharePoint Liste oder als Microsoft Forms Formular) wiederkehrende Informationen wie Teilnehmende, Ort und Datum schnell erfasst werden. Nach Abschluss wird das Protokoll auf Knopfdruck automatisch in ein Word-Dokument übertragen. Auch Microsoft Copilot kann, wenn passgenau eingesetzt, bei der Finalisierung von Sitzungsprotokollen viel Zeit sparen.
5. Versand des fertigen Protokolls nach Freigabe an den SVB-Vorsitzenden
Die Protokollfreigabe erfolgt anschließend durch Power Automate: Der Link zum Protokoll wird automatisch an den Vorsitzenden gesendet, der die Freigabe per Bestätigungsbutton erteilen kann. Daraufhin erfolgt der Versand des freigegebenen Protokolls an alle SVB-Mitglieder und den Vorstand.
6. Dokumententransformationen, Verschlagwortung, Retention Labels, Ablage
Die Dokumentation und Archivierung laufen ebenfalls automatisiert: Das Protokoll wird in ein PDF konvertiert, mit Metadaten wie Datum, Gremium und Themen versehen und einer definierten Retention Policy (Retention Label) zugeordnet. Anschließend wird es in der entsprechenden Dokumentenbibliothek archiviert.
7. Automatisierung schriftlicher SVB-Beschlüsse
Auch außerordentliche, schriftliche Beschlüsse, etwa im Aufsichtsrat oder Vorstand lassen sich mit SharePoint und Power Automate elegant managen. Vorlagen sorgen hier für eine einheitliche Struktur. Die Beschlussvorlage wird dann automatisch an die jeweiligen Gremienmitglieder weitergeleitet, die ihre Zustimmung per Klick in der Mail erteilen können.
Die Zusammenarbeit zwischen zwei starken Partnern aus den Bereichen Legal und Tech
Unser starker Technologiepartner 6PAC sieht die technologischen Möglichkeiten positiv:
„Mit DIY Legal Tech-Lösungen, mit Microsoft 365 und SharePoint setzen wir die von unserem strategischen Legal Partner LR29 maßgeschneidert entwickelten Use Cases modular und passgenau um. Das Zusammenspiel mit Microsoft Copilot wird bald weitere innovative Ansätze bieten. Entscheidend aus technologischer Sicht ist die Unabhängigkeit von vordefinierten Prozessen externer Standardanbieter und die Lösung spezifischer Anforderungen.“
Fazit
Manuelle Arbeitsabläufe in der Durchführung von SVB-Sitzungen sind ineffizient und fehleranfällig. Die Automatisierung dieser Prozesse mit Microsoft 365 und der Power Plattform kann ein zentraler Schritt sein, um die Organisation von Gremiensitzungen zu verbessern – von der Vorbereitung bis zum Reporting. Der DIY Legal Tech-Ansatz bietet hierfür eine pragmatische Lösung mit Bordmitteln. Mit KI-Lösungen sind die möglichen Use Cases nahezu unbegrenzt.
Autor:innen: Maxim Letski und Dr. Max von Schönfeld waren als General Counsel in Tech-Unternehmen und internationalen Wirtschaftskanzleien tätig und beraten mit der Boutique LR29 zu SaaS-Geschäftsmodellen sowie Tech- und Datenregulierung. Mit LEXCHANGE unterstützen sie Scale-Ups und Konzerne bei der Digitalisierung rechtlicher Workflows mit Fokus auf technologiegestützter Prozessoptimierung und Legal Tech-Strategien. Helena Broj arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei LR29 im Bereich Technologierecht und Legal Ops.
Foto v.l.n.r: Maxim Letski, Dr. Eduard Hofert, Helena Broj und Dr. Max von Schönfeld.