Fachartikel

Digitale Barrierefreiheit von Dokumenten – mit einer Handlungsempfehlung –

Die Gestaltung gebrauchstauglicher und barrierefreier Websites ist seit Längerem ein bekanntes Thema. Neu ist durch die Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/882 (European Accessibility Act), dass sich nicht nur öffentliche Stellen mit regulatorischen Anforderungen an die digitale Barrierefreiheit auch außerhalb von Websites auseinandersetzen müssen.

Warum digitale Barrierefreiheit von Dokumenten?

Als Abschlussarbeit des interdisziplinären Weiterbildungsstudiengangs Master of Laws Legal Tech wählte ich das Thema „Digitale Barrierefreiheit von Dokumenten“. Die „Accessibility“ und „Usability“ sind weit mehr als nur zwei praktische Buzzwords, von denen alle profitieren können: Denn für Menschen mit Beeinträchtigungen im motorischen, sensorischen oder kognitiven Bereich gibt es ohne die digitale Barrierefreiheit nur eingeschränkte bis keine Möglichkeiten, digitale Dokumente wahrzunehmen, zu bedienen, zu verstehen und durch assistive Technologien interpretieren zu lassen. Diese Grundsätze des barrierefreien Zugangs liegen unter anderem der europäischen Norm (EN) 301 549 zu Grunde. Sie beziehen sich auf die Ausgestaltung von Websites, mobilen Anwendungen und weiteren digitalen Produkten.

Im Rechtsbereich spielen Dokumente eine zentrale Rolle, sie sind ein großer Bestandteil in der Rechtskommunikation. Für Menschen mit Beeinträchtigungen müssen in Unternehmen, Kanzleien, Behörden, Gerichten und zuhause am Computer digitale Dokumente möglichst barrierearm gestaltet sein.

Ein Blick in die Masterarbeit im Studiengang Master of Laws Legal Tech

Zu Beginn der Masterarbeit wird der Begriff Barrierefreiheit vor diesem Hintergrund erläutert. Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden eingeleitet mit einem Überblick über die historische Entwicklung, im Anschluss folgt eine Darstellung der EU-Webseiten-Richtlinie sowie des European Accessibility Acts.

Um die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen zu verstehen, werden die technischen Anforderungen in den Blick genommen. Hierbei spielt die erwähnte Europäische Norm (EN) 301 549 eine zentrale Rolle, auch der Stand der Technik und die Überprüfbarkeit durch Legal Tech werden eingeordnet.

Digitale Barrierefreiheit soll jedoch kein utopisches Ziel sein, sondern kann durch jeden Ersteller und jede Erstellerin eines digitalen Dokuments berücksichtigt werden. Hierzu wird die Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit bei der Erstellung eines barrierefreien Dokuments mit Blick auf den Zeitpunkt, die zu berücksichtigenden Kriterien, die Erstellung und Überprüfung mithilfe von Microsoft Word und das Exportieren als PDF-Dokument dargestellt.

Es gibt zahlreiche Vorteile der Barrierefreiheit, die über das Recht auf Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen auch Menschen ohne Beeinträchtigungen zugutekommen. Unternehmen verhalten sich durch Nutzung digitaler Dokumente nicht lediglich „compliant“ (für eine inklusive Gesellschaft mit Recht auf Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigungen sowie ab Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) auch entsprechend weiteren regulatorischen Anforderungen mit Blick auf digitale Produkte), sondern bessern die „Accessibility“, die „Usability“ und insgesamt damit auch die „User-Experience“.

Vor diesem Hintergrund wurde die Masterarbeit mit einem Untertitel versehen: – mit einer Handlungsempfehlung –. Sie richtet sich an alle, die (PDF-)Dokumente erstellen. Hierfür werden zentrale Punkte für den Arbeitsalltag genannt und dabei hilfreiche Tipps mitgegeben.

Veröffentlichung der Masterarbeit

Durch Empfehlung von Prof. Dr. Christian Wolff konnte ich an der Ausschreibung des Springer Nature Verlags teilnehmen. Ich gewann die Aufnahme in das Nachwuchsprogramm und wurde ausgezeichnet, sodass die Masterarbeit in die Schriftenreihe BestMasters aufgenommen wurde und unter diesem Link als Softcover Book und eBook erworben werden kann.

Mein Buch bietet eine praktische Hilfestellung für alle, die barrierefreie Dokumente erstellen möchten. Wer frühzeitig damit beginnt, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, kann nicht nur gesetzlichen Vorgaben entsprechen, sondern auch die digitale Teilhabe für alle fördern.

Änderungen seit September 2023

Die praktischen Tipps zur Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit beziehen sich unter anderem auf die Erstellung eines Dokuments mit Microsoft Word. Seit der Fertigstellung der Masterarbeit im September 2023 änderte sich die Benutzeroberfläche des Programms geringfügig. Innerhalb des sogenannten Barrierefreiheits-Assistenten wurden beispielsweise Zwischenüberschriften hinzugefügt, wodurch weniger erläuternder Text gelesen werden muss und die Bedienung noch intuitiver geworden ist. Microsoft Word bietet eine bessere Unterstützung bei der Barrierefreiheitsprüfung. Trotzdem bleibt die menschliche Überprüfung essenziell, da automatisierte Lösungen nicht alle Probleme erkennen können.

In der für die digitale Barrierefreiheit zentralen Europäischen Norm (EN) 301 549 wird auf die Erfolgskriterien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) verwiesen. Seit September 2023 wurden diese Richtlinien des Word Wide Web Consortiums (W3C) überarbeitet. Die englischsprachige Version der WCAG 2.2 ist als vorgeschlagene Empfehlung vom 12.12.2024 abrufbar unter https://www.w3.org/TR/WCAG22/, zuletzt abgerufen am 04.04.2025. Neu hinzu kam auch die Überarbeitung des englischsprachigen Entwurfs der WCAG 3.0 mit neuem Stand vom 12.12.2024 abrufbar unter https://www.w3.org/TR/wcag-3.0/, zuletzt abgerufen am 04.04.2025.

Parallel dazu wächst das Bewusstsein für Barrierefreiheit in der Gesellschaft. Immer mehr Institutionen, Organisationen und Unternehmen nehmen das Thema ernst und investieren in Schulungen für ihre Mitarbeitenden. Dennoch gibt es weiterhin große Defizite, insbesondere im privaten Sektor, wo viele Unternehmen noch keinen Handlungsbedarf sehen.

Das Inkrafttreten des BFSG rückt näher. Diese Gesetzesänderung kann für Unternehmen Anlass für die Überprüfung sein, ob sie neue regulatorische Anforderungen mit Blick auf digitale Barrierefreiheit zu erfüllen haben. Das BFSG gilt grundsätzlich für bestimmte digitale Produkte, die ab dem 28.06.2025 in Verkehr gebracht werden sowie für Dienstleistungen, die für Verbraucherinnen und Verbraucher nach diesem Zeitpunkt erbracht werden. Auch wenn Kleinstunternehmen, mit weniger als zehn Beschäftigten und höchstens zwei Millionen Euro Jahresumsatz, die Dienstleistungen erbringen, vom Gesetz ausgenommen sind, so gilt dies jedoch für Kleinstunternehmen, die die Produkte in Umlauf bringen.

Fazit

Digitale Barrierefreiheit ist keine freiwillige Zusatzleistung, sondern eine grundlegende Voraussetzung für eine inklusive Gesellschaft. Barrierefreie Dokumente ermöglichen nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen den Zugang zu wichtigen Informationen, sondern verbessern auch die allgemeine Nutzerfreundlichkeit und Verständlichkeit von Inhalten.

In den letzten Jahren hat sich einiges bewegt – sowohl rechtlich als auch technologisch. Unternehmen, Behörden und Privatpersonen sollten sich aktiv mit barrierefreier Dokumentenerstellung auseinandersetzen, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.

Ich lade alle Leserinnen und Leser ein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Barrierefreiheit als festen Bestandteil digitaler Kommunikation zu betrachten. Denn nur gemeinsam können wir eine inklusive digitale Zukunft gestalten.

Autorin: Linda Kaszuba LL.M. ist Rechtsanwältin und in den Bereichen KI, Legal Technology und Datenschutzrecht tätig. Sie ist zusätzlich mit der Entwicklung und Implementierung von Strategien für das Wissensmanagement sowie mit der Weiterentwicklung von juristischer Fachsoftware befasst.

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